162 km
In der Nacht hat es wieder heftig geregnet. Pünktlich um 08.00 Uhr werden wir mit sechs Lunchpaketen - so groß wir Tortenschachteln – standesgemäß vom Lodgepersonal verabschiedet.
Einen Blick auf den fast wolkenfreien Mt. Kenya können wir auch noch erhaschen.
Bereits nach 20 Minuten Fahrt durch das Laikipia-Plateau haben wir den Äquator bei Nanyuki erreicht. Ein kurzer Fotostopp, ohne die Gift-Buden zu besichtigen, musste reichen. Wer braucht schon diesen ganzen Tand?
Weiter geht die Fahrt auf perfekt geteerter Straße mit äußerst wenig Gegenverkehr zunächst Richtung Osten an der trockeneren Nordseite des Mt. Kenya entlang. Richtung Norden sehen wir atemberaubende Ausblicke auf den Mt. Loldaiga und die trockenen Steppengebiete. Es erfolgt ein dramatischer Wechsel der Vegetation vom feuchten, regenreichen Mt. Kenya in die kargen Steppengebiete Nordkenias. Linkerhand passieren wir die riesige Lewa Wildlife Conservancy, ein privates Wildschutzgebiet, das sich dem Schutz und Erhalt der Spitzmaulnashörner verschrieben hat.
In Isiolo hat Gulu das Wägelchen noch einmal vollgetankt. Isiolo ist ethnisch so ganz anders, wie die Kikuyu-Städte im Süden. Hier prägen viele verschleierte Frauen das Bild. Somalis sind recht häufig anzutreffen. Die schöne Freitagsmoschee wird im Vorbeifahren geknipst. Tankstellen, Werkstätten und Reifenflicker sind ab hier Mangelware. Zumindest ist die Sicherheitslage seit dem Bau der Teerstraße stabil. Noch vor einigen Jahren musste man ab Isiolo im bewaffneten Konvoi in den Norden fahren.
Häufig passieren wir ab Nanyuki Straßensperren, an denen durch die örtliche Polizei Personenkontrollen durchgeführt werden. Unserer Mini-Van wird aber immer durchgewinkt. Gulu warnte uns jedoch, kurz vor, in und nach der Kontrollstatition nicht zu fotografieren. Das sehen die Beamten nicht gerne.
Hinter Isiolo kreuzen einige Somali-Taxis die Straße im eintönigen Savannenland. Erste Sand- oder Staubstürme sind zu sehen. Kurz vor Archer´s Post überqueren wir den Ewaso Ngiro River, der in den Aberdares entspringt und der den National Reserves Buffalo Springs, Samburu und Shaba seinen Tierreichtum beschert.
In Archer´s Post zweigt links die Zufahrt zum Umoja Village und zum Samburu National Reserve ab. Seit ich vor einigen Jahren im TV einen Bericht über das erste Frauen-Dorf (Frauen-Haus) Afrikas gesehen habe, war es mein Wunsch, dort einen Besuch abzustatten, wenn wir dieses Land bereisen. Hier ein kurzer, erklärender Film.
Wir stehen vor Umoja und werden herzlich von Rebecca Lolosoli und ihren Mitstreiterinnen in farbenfroher Samburu-Tracht empfangen. Außer uns sind keine weiteren Touristen hier. Der traditionelle Begrüßungsgesang und Tanz der Samburu geht ans Herz und ist wunderschön.
Anschließend erzählt Rebecca ausführlich über die Hintergründe dieses Dorfes. Samburu-Frauen sind in der traditionellen Gesellschaft weniger wert wie Dreck! Sie dürfen geprügelt, vergewaltigt werden, sie haben kein Anrecht auf eigenen Besitz und werden vielfach noch beschnitten.
Um all dies zu ändern, hat sich Rebecca Lolosoli 1990 mit anderen Frauen, die auf der Flucht vor Genitalverstümmelung, Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt sind, zusammengetan und dieses Dorf gegründet. Mittlerweile gibt es eine zweizügige Grundschule für die Kinder, denn es ist ganz wichtig, dass durch Erziehung und Bildung ein Sinneswandel in der traditionellen Bevölkerung einsetzt.
Im Frühjahr 2012 erschien in Deutschland das Buch „Mama Mutig" über das Leben von Rebecca Lolosoli. Ich zeigte es ihr und sie war sehr erfreut, denn die Ausgabe hatte wohl noch keinen Weg zu ihr
gefunden. Die bunten Fotos im Mittelteil wurden unter den Bewohnerinnen mit großer Freude in Augenschein genommen. Ich ergriff die Chance, Rebecca um eine Widmung zu bitten, der sie gerne
entsprach.
Wir hatten die Möglichkeit eine Samburuhütte von innen zu sehen und haben mit größter Freude den Schulkindern in der zweizügigen Grundschule zugehört, die für uns gesungen haben. Nebenan sind gerade einige Amerikaner dabei eine Bücherei für die Schulkinder zu errichten.
Und natürlich erstanden wir auch für wenig Geld etwas von dem selbsthergestellten Perlenschmuck, kommt der Erlös doch den Kindern direkt zu Gute. Jochen hat sich einen Fliegenwedel ausgesucht, der aber später seinen Abnehmer bei Elvira gefunden hat, da er wohl aus Giraffenhaar gefertigt wurde. Und Probleme mit dem Zoll brauchen wir so wenig, wie ein Loch im Kopf!
Das kleine Museum mit Gegenständen aus dem Alltagsleben der Samburu und einigen Zeitungsartikeln ist der ganze Stolz der Frauen.
Rebecca wird dieses Jahr für die Kommunalwahlen kandidieren und mein Vorschlag, sich auch gleich für die Präsidentschaftswalen aufstellen zu lassen, wurde mit fröhlichem Lachen quittiert.
Nachdem wir einige Sachspenden abgeben haben, frage ich Rebecca nach einem schönen Picknickplatz für unser Lunch. Sie empfiehlt uns die vom Dorf betriebene Campsite am Ewaso Ngiro River in wunderschöner Lage. Wir verabschieden uns herzlich und für mich steht fest, dass ich hier nicht das letzte Mal war!
Der Eintritt beträgt 1.000 KSh pro Person.
Unter dem schattigen Grasdach der Campsite-Bar machen wir es uns gemütlich und genießen das Picknick. Die sechs Faltkartons finden anschließend eine dankbare Abnehmerin bei der Bar-Managerin und die Reste des Lunchs geben wir auf der Rückfahrt im Frauendorf ab. Über die Muffins werden sich sicher die Kinder freuen.
Gegen 13:30 Uhr erreichen wir das Main Gate des Samburu National Reserves. Gulu regelt am Gate das Finanzielle mit der Safari Card, wir vertreten uns die Beine, fotografieren die Hinweistafeln und erspähen erstes Wild.
Nach langsamer Fahrt (wegen der vielen Tiersichtungen!) erreichen wir gegen 15:00 Uhr die Samburu Sopa Lodge, die im nördlichen Bereich des Parks, nicht am Fluss liegt und erst vor ca. zwei Jahren eröffnet hat.
Die Lodge zwischen den Kopjes ist in Hufeneisenform um ein kleines Wasserloch angelegt und nicht eingezäunt. Wir teilen unser schönes, luftiges Doppelchalet Nr. 43 mit Annick nebendran und genießen die kleine Veranda davor.
Hier tummeln sich regelmäßig Diks Diks, Impalas und jede Menge Tokos. Das Grasdach ist so konstruiert, dass immer ein luftiger Wind durchs Haus streicht. Das Samburu National Reserve liegt auf rund 900 m Höhe und dem entsprechend kuschelig sind hier die Tagestemperaturen mit ca. 30°.
Mückennetze gibt es hier weit ab vom Fluss in Ermangelung von Moskitos nicht. Ventilatoren sind auch nicht notwendig.
Das Wasserloch ist von unserer Terrasse bedingt durch dichtes Buschwerk allerdings nicht einsichtig. Dafür ist der Blick von Bar und Restaurant aber sehr gut. Strom gibt es nur zu Generatorzeiten, es sind ausreichend Steckdosen zum Laden der verschiedenen Akkus vorhanden.
Das Dinner wurde von der tanzenden und singenden Samburu-Krieger-Truppe (Annick wird sie ab hier nur noch „Federn" nennen) eingeläutet. Es wird in Buffetform gereicht und ist hervorragend. Das Personal versteht seinen Job.
Aufgrund der hier lebenden Löwen und Leoparden wurden wir abends von zwei Nachtwächtern (Securities) zum Chalet gebracht.